11. August 2021
Energiepolitik: Falsches Finanzierungsmodell?
Zur Debatte um die Finanzierungs-Regulierung für Wasser- Wind- und Solarkraftwerke in der Schweiz
Der Bundesrat führt aktuell eine Vernehmlassung durch zur Revision der Finanzierungs-Regulierung bei neuen Solar- und Windkraftwerken in der Schweiz. Früher hiess das Förderpolitik, heute geht es um ein verlässliches Finanzierungsmodell, damit der Umbau des Energiesystems gelingt.
Natürlich geht es auch um neue Wasserkraftwerke, aber da sind sich die Fachleute einig, das Ausbaupotential in Bezug auf das, was wir erreichen müssen, ist bescheiden. Drei bis vier Terrawattstunden jährliche Energieproduktion bei der Wasserkraft liegen noch drin, mehr aber nicht. Entscheidend für die elektrische Energiewende ist die Solar- und Windenenergie, wenn wir bei der Geothermie den technischen Durchbruch nicht schaffen. Neben der wichtigen Wasserkraft werden daher Wind und Sonne in den nächsten zwei Jahrzehnten in der Schweiz die wichtigsten Erzeugungsenergien von Elektrizität. Erwartet werden Zubaumengen zwischen 20 und 50 Terrawattstunden – wenn die Finanzierungs-Regulierung endlich verlässlich gestaltet würde.
Punktuell bessere Anreize genügen nicht
Der Bundesrat schaut zwar voraus und fragt jetzt schon an, wie das Finanzierungsmodell ab 2030 aussehen soll. Dann nämlich kommt die Förderpolitik, die heute schon schrittweise ausläuft, zum totalen Abbruch. Der Umbau des Energiesystems ist dann aber sicher nicht abgeschlossen. Leider ist der Regulierungs-Vorschlag des Bundesrates weder visionär, noch den Zielen der Energiestrategie 2050 verpflichtet. Man wolle punktuell die Anreize verstärken, aber 2035 soll dann schon wieder das Ende der neuen Regulierung sein und überhaupt, die Kosten müssen so bleiben, wie sie heute sind. Begrenzen und deckeln – wenig überzeugend: So sieht langfristige Klima- und Energiepolitik definitiv nicht aus.
Im wettbewerblichen Strommarkt braucht es ein einziges klares Finanzierungsmodell
Wenn wir das Schweizer Energiesystem im Elektrizitätsbereich ernsthaft auf 100% erneuerbare Produktion umbauen wollen, dann braucht es jetzt ein Finanzierungsmodell, dass sich an den Marktgegebenheiten des europäischen Elektrizitätsmarktes ausrichtet. Der europäische Elektrizitätsmarkt ist wettbewerblich und grenzüberschreitend, dies im Gegensatz zum Markt in der Schweiz: Hier wird asymmetrisch die Produktion in den Wettbewerb geschickt, gleichzeitig aber bei der Nachfrage, die Kleinkunden an einzelne Unternehmen gebunden. Die Folge ist, dass in dieser Asymmetrie die einen Energieversorgungsunternehmen mit gebundenen Kunden frohlocken und die anderen Energieversorgungsunternehmen im europäischen Wettbewerb stehen und seit Jahren dieses schlechte Marktdesign monieren. Darum sollte die Schweiz jetzt endlich zwei wichtige Schritt vollziehen, nämlich ein Marktdesign, das grenzüberschreitend funktioniert und zweitens ein langfristiges Finanzierungsmodell für neue Kraftwerke, das alle Akteure gleichermassen berücksichtigt. Denn wir brauchen alle; die Privaten, die ihre Kleinanlagen bauen und die Grossanlagen und Grossinvestitionen der Energieversorgungsunternehmen. Nur wenn alle ohne Bremse und Deckel bauen können, dann gelingt die Energiewende.
Gleitende Marktprämie verlangt die Marktintegration und bringt Investitionssicherheit
In den letzten Jahren haben alle europäischen Länder ein bisschen «gepröbelt», wie man denn die neuen Kraftwerke «fördern» könnte. Darum geht es heute nicht mehr. Wir müssen jetzt endlich ein Finanzierungsmodell schaffen, das die Investitionssicherheit der nächsten drei Jahrzehnte bestimmt. Die Eckwerte sind inzwischen von WissenschaftlerInnen auch erarbeitet worden: Erstens muss ein neues Kraftwerk seinen Strom direkt im wettbewerblichen Strommarkt vermarkten und zweitens sollte der Staat dafür sorgen, dass die Ziele des Umbaus erreicht werden – er schreibt die notwendigen Kraftwerkskapazitäten in einer Auktion aus. Wer in diesen Ausschreibungen das beste Angebot unterbreitet, wird mit einer gleitenden Marktprämie vertraglich gebunden. Was ist denn das wieder Neues, «gleitende Marktprämie»?
Es bedeutet, dass der Investor im Wettbewerb einer Ausschreibung abschätzen muss, was sein Kraftwerk kosten wird, er muss aber nicht die Unwegbarkeiten der europäischen Strompreisentwicklung in sein Stromangebot einpreisen. Und das ist richtig, denn wenn er das tun würde, wäre die Preisexplosion für alle Endkunden garantiert. Darum wird ihm eine gleitende Marktprämie gewährt, die nicht höher ist als die Differenz zwischen seinem Gebotspreis und dem Marktpreis. Deckt der Marktpreis die Kosten der Stromproduktion im Kraftwerk, wird keine Marktprämie ausgeschüttet, deckt der Marktpreis die Kosten nicht, dann wird je nach Marktpreisentwicklung eine gleitende Prämie gewährt. Diese Finanzierungs-Regulierung wird heute in den meisten europäischen Ländern angewandt und ist auch regulatorisch von den europäischen Richtlinien zum Ausbau der erneuerbaren Kraftwerke so verlangt.
Punktuelle Anreize sind keine Energiestrategie
Der Bundesrat will lieber «punktuell» mehr Anreize geben und allen Kraftwerken vor der Inbetriebnahme einen Investitionsbeitrag ausschütten. Das punktuell heisst konkret, dass 30-50% der Kraftwerkskosten zum Zeitpunkt Null von allen Stromkonsumenten zu bezahlen sind. Das man ein solches Modell nach fünf Jahren wieder auslaufen lassen muss ist klar, denn das werden hunderte von Millionen Franken sein, die hier vorschüssig abgeholt würden. Und ob sie dann reichen, weiss niemand, weil niemand den Marktpreis im Jahre 2025, im 2030 oder 2035 kennt.
Die Vernehmlassungsfrist zur neuen marktnahen Finanzierungsregulierung bei erneuerbaren Kraftwerken endet am 12. Juli 2020. Vielleicht erkennt ja der Bundesrat noch, dass die Energiestrategie 2050 keine punktuelle, befristete und gedeckelte Förderpolitik baucht, sondern endlich eine verlässliche Finanzierungs-Regulierung für Tausende von dezentralen Kraftwerken.
Eric Nussbaumer, Vorstandsmitglied AEE SUISSE