11. August 2021

Diesel sei Dank.

Wir erinnern uns: Der Volkswagen-Konzern hat jahrelang Dieselautos so manipuliert, dass sie nur auf dem Prüfstand die Abgasgrenzwerte einhalten, nicht aber auf der Strasse. Der Betrug flog im September 2015 in den USA auf, das Unternehmen gestand die Manipulation ein. Weltweit sind elf Millionen Fahrzeuge betroffen, die meisten davon in Europa. Im April 2019 hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen den ehemaligen VW-Chef Martin Winterkorn und vier weitere VW-Mitarbeiter Anklage erhoben.

Dieselskandal und Klimakrise, die eine rasche Elektrifizierung des Verkehrs fordert, machen der alten Autowelt zu schaffen und setzen sie unter Dauerstress. Das bewegt selbst ein Schwergewicht wie die deutsche Autoindustrie, die bis Ende 2019 40 Milliarden Euro in E-Autos investieren will. Der Stanford-Professor Friedrich Prinz, gebürtiger Österreicher, erforscht den Wirkungsgrad von elektrochemischen Prozessen, die in den Batterien eine große Rolle spielen. Langfristig, sagt der Physiker, gebe es keine sauberere Antriebsform: „Wenn der Strom aus Wind, Wasser oder Solarkraft kommt, dann stoßen Sie mit einem Elektroauto kein CO2 aus.

Das wird selbst mit dem besten Diesel nie gelingen.“ Silke Bagschik, zuständig für Marketing und Vertreib von Elektrofahrzeugen bei VW, bringt es auf den Punkt, wenn sie erklärt, warum Elektrofahrzeugen die Zukunft gehört: Mit 60 Kilowattstunden Strom kommt man 400 Kilometer weit. Die 60 Kilowattstunden haben denselben Energiegehalt wie sechs Liter Dieselkraftstoff. Ein Fahrzeug mit Dieselmotor kommt damit gerade mal 100 Kilometer weit. Der E-Motor ist damit viermal so effizient. „Es wird in den kommenden Jahren keine rationalen Gründe mehr geben, die gegen Elektroautos sprechen“, sagt die 45-jährige Wirtschaftsingenieurin. Erstaunlich, dass man erst jetzt die Vorzüge realisiert, die dem Elektromotor eigen sind. Denn eigentlich ist er keine Neuheit. Im Jahr 1900 fuhren auf amerikanischen Straßen mehr Elektroautos als Verbrenner. Man stelle sich das vor.

In Brüssel wurden unlängst neue ehrgeizige Abgaswerte vorgeschrieben, die es Herstellern ab dem Jahr 2030 unmöglich machen, überwiegend mit herkömmlichen Motoren straffrei durchzukommen. Ausserdem hat der kalifornische Hersteller Tesla bewiesen, dass Elektroautos mindestens so rasant wie herkömmliche Autos sein können. Und schließlich zerstreut der technische Fortschritt viele Sorgen der Kunden. So hilft er – jede Zeit hat ihre neuen Krankheiten –, das Phänomen der Reichweitenangst zu therapieren, wenn Autos bald auch mit Batterie weiter als 500 Kilometer kommen und in einer halben Stunde für weitere 400 Kilometer nachladen. Auch die Preise sinken mit der Massenproduktion und sollen am Ende nur wenig höher sein als die heutigen Neuwagen. Zugleich sind die Wartungs- und Reparaturkosten weit geringer als bei herkömmlichen Autos. Kein verschlissener Russfilter, kein Ölwechsel und keine kaputten Zylinderdichtungen.

Und wo stehen wir in der Schweiz?
Das CO2-Gesetz steckt in der parlamentarischen Beratung. Eine Angleichung der scharfen Euro-Grenzwerte beim Ausstoss von CO2 wird auch in der Schweiz Realität werden. Die Rahmenbedingungen ändern sich und sie ändern sich zugunsten der Elektromobilität, was sich auch in den Verkaufszahlen spiegelt. Auto-Schweiz schreibt in seiner aktuellen Marktstatistik, dass der Schub bei den Elektroautos eindrücklich ist und dass dank der massiven Zunahme beim Verkauf in den ersten vier Monaten dieses Jahres heute bereits jedes zehnte Auto in der Schweiz über einen alternativen Antrieb (Elektro-, Hybrid-, Gas- oder Wasserstoffantrieb) verfügt. Gemäss Bund sollen bis 2022 15 Prozent elektrisch unterwegs sein. Das macht umso mehr Sinn, als die Schweiz über einen hohen Anteil an erneuerbaren Energien verfügt. Trotzdem braucht es weitere Anstrengungen, soll die Elektrifizierung des Verkehrs zügig vorwärts gehen. Dazu zählt auch der rasche Ausbau der Ladepunkte, wie sie in den Zielen der Roadmap 2022 des Bundesrats beschrieben sind. Das Bundesamt für Strassen (Astra) hat denn auch konkrete Vorstellungen, wie im Rahmen der Roadmap 2022 eine Infrastruktur für Schnellladestationen aufgebaut werden kann. Es soll innerhalb der nächsten Jahre ein flächendeckendes und dichtes Netz von leistungsfähigen Schnellladestationen auf dem gesamten Nationalstrassennetz entstehen.

Man darf gespannt sein, wie schnell es weitergeht. Klar scheint aber, dass die eingeschlagene Entwicklung nicht mehr umzukehren ist. Die Automobilindustrie stellt um, die Klimakrise fordert rasches Handeln auch im Verkehrssektor, die Digitalisierung lässt neue Mobilitätsformen entstehen. Und schlussendlich sind es die Konsumentinnen und Konsumenten, die diesen Wandel vorwärtstreiben, indem sie umsteigen und zunehmend das Neue dem Alten vorziehen. Die Zeit ist reif, das Angebot wächst – der Paradigmenwechsel ist im vollen Gange.

Stefan Batzli, Co-Geschäftsführer AEE SUISSE