Klimapolitik

Die aeesuisse nimmt im Namen und im Interesse ihrer Mitglieder Stellung zu aktuellen klimapolitischen Themen, gibt Stellungnahmen zu politischen Geschäften ab und bringt sich aktiv in politische Prozesse ein. Wir unterstützen das Netto-Null Ziel des Bundesrates und wir engagieren uns in den Kantonen (MuKEn) und auf Bundesebene für eine rasche und vollständige Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft.

Revision CO₂-Gesetz

Das CO2-Gesetz ist das zentrale Gesetz, über welches die Ziele der Schweizer Klimapolitik erreicht werden sollen. Entsprechend wichtig ist es, dass es mit den darin beschriebenen Massnahmen auch möglich ist, die Ziele der Schweizer Klimapolitik zu erreichen. Dafür spielen die erneuerbaren Energien als Ersatz unserer gut 80-prozentigen Abhängigkeit von fossilen Energien eine zentrale Rolle. Der Zubau dieser Energieformen muss massiv beschleunigt werden. Die Rahmenbedingungen dafür werden derzeit in der Energiekommission des Ständerates diskutiert und im Mantelerlass für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien neu geregelt. Immer wieder vernachlässigt wird zudem das Potential der Energieeffizienz. Allein im Gebäudebereich darf davon ausgegangen werden, dass ein grosser Teil der für die Wärmeaufbereitung und den Betrieb der Gebäude eingesetzten Energien eingespart werden könnte. Die Energieperspektiven 2050+ gehen von einem möglichen Effizienzgewinn von 22 TWh aus (Raumwärme 19 TWh, Warmwasser 2 TWh, Klima, Lüftung und Haustechnik TWh).

Zur Stellungnahme

Die Klimakrise spitzt sich zu  unser Handeln ist jetzt gefordert. Deshalb ja zum CO₂-Gesetz!
Die aeesuisse ist Mitbegründerin des Komitees «Schweizer Wirtschaft für das CO₂-Gesetz». Ein Wirtschaftskomitee für eine weitsichtige Klimapolitik. Weitere Informationen unter co2-gesetz-jetzt.ch.

Fragen an Stefan Batzli zur Totalrevision des CO₂-Gesetzes bzw. der Wärmewende

Herr Batzli, aeesuisse und die Wärmeinitiative Schweiz haben kürzlich eine Studie zur Wärmeversorgung in der Schweiz veröffentlicht und darin die Dekarbonisierung des Sektors als möglich und finanzierbar beurteilt. Von welchem Beschluss versprechen Sie sich Chancen oder Möglichkeiten für die Wärmewende? Und warum?
Batzli: Die Erhöhung der CO₂-Abgabe auf bis zu 210 CHF/t CO₂ ist ein guter Entscheid, weil sie eine stärkere Lenkung möglich macht. Auch gut ist der neue CO₂-Grenzwert für Altbauten, der den Ersatz fossiler Heizungen ab 2026 derart erschwert, dass sie für Hauseigentümer nicht mehr in Frage kommen. Weiter sind wir glücklich über die Schaffung des Klimafonds und damit über die Fortführung des Gebäudeprogramms, das Massnahmen an der Gebäudehülle und in der Gebäudetechnik fokussiert. Und schliesslich unterstützen wir die Erhöhung des Inlandzieles, wonach 75% des Treibhausgasausstosses im Inland kompensiert werden müssen.

Und umgekehrt: Gibt es einen Punkt im Gesetz, von dem die Wärmewende besonders negativ betroffen ist bzw. bei dem Sie Anpassungsbedarf verorten?
Batzli: In der Grundausrichtung stimmt das neue Gesetz und es bringt die Wärmewende auf Kurs. Es beinhaltet einen cleveren Mix an Massnahmen und Instrumenten auf der Basis von Anreizen und Vorschriften – ähnlich wie wir es in unserer Studie aufgezeigt haben. Was das Gesetz aber nicht genügend berücksichtigt, ist der Faktor Zeit. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, bleiben uns knapp 30 Jahre Zeit, wobei die zentralen Interventionen, wie beispielsweise der Ersatz fossiler Heizungen, viel früher passieren müssen. Ob die 210 CHF/t CO₂-Gesetz dereinst wirklich genügen, stellen wir in Frage, ohne aber konkrete Anpassungen zu fordern. Oberstes Ziel ist es, das neue CO₂-Gesetz möglichst rasch in Kraft zu setzen und damit die Klimapolitik wieder auf Kurs zu bringen.

Wie beurteilen Sie das CO₂-Gesetz insgesamt und wie geht es weiter?
Batzli: Das CO₂-Gesetz bringt die Klimapolitik der Schweiz wieder auf Kurs, ohne sie gleich zum Musterknaben zu machen. Damit die Wärmewende gelingt, haben wir passende politische Rahmenbedingungen gefordert. Das neue CO₂-Gesetz setzt die richtigen Eckpunkte und führt erste wirkungsvolle Instrumente ein. Noch muss das Paket eine Volksabstimmung überstehen. Wir sind gewillt, in diesen Abstimmungskampf einzusteigen und die Vorlage zu verteidigen. Auf Initiative der aeesuisse soll wieder eine Allianz der Wirtschaft organisiert werden, ähnlich wie 2017, als die «Schweizer Wirtschaft für die Energiestrategie 2050» die Energiewende möglich machte.

Download Webinar ZHAW CO₂-Studie «Der Vermeidungskostenansatz».

Wie schafft man eine vollständige Dekarbonisierung des Wärmesektors in der Schweiz? Um den Weg dorthin aufzuzeigen, haben die Beratungsfirmen TEP Energy Solutions und Ecoplan, im Auftrag der Wärmeinitiative Schweiz, eine umfassende wissenschaftliche Grundlage erarbeitet. Die Resultate liegen nun vor. Eine CO₂-neutrale und erneuerbare Wärmeversorgung des gesamten Gebäudesektors in der Schweiz (Haushalte, Dienstleistungen und Industrie) ist bis 2050 möglich. Dazu müssen wir das gesamte verfügbare Potenzial an erneuerbaren Energieträgern vollständig nutzen und die richtigen Rahmenbedingungen für den Ausbau der erneuerbaren Wärme schaffen.
Weitere Informationen

  • Neu können sich alle, auch öffentlich-rechtliche Unternehmen einschliesslich kleiner Firmen, von der CO2-Abgabe befreien lassen. So erhalten Firmen einen Anreiz, Klimaschutzmassnahmen innerhalb ihres Betriebes tatsächlich umzusetzen. In einem bewährten Prozess identifizieren und vereinbaren lizenzierte Beratungsunternehmen Act und EnAW wirtschaftliche Reduktionspotenziale. Es bestehen bereits viele Möglichkeiten, einen Betrieb CO2-neutral zu gestalten.
    Wird ein CO2-freies Heizsystem gewählt, entfallen bei vielen Firmen die CO2-Abgaben automatisch. Auch bei der Fahrzeugflotte stehen immer mehr preislich attraktive CO2-freie Alternativen zur Verfügung.
  • Unterstützung bei CO2-Reduktion: Neu soll auch die CO2-Reduktion in der Wertschöpfungskette von Schweizer Unternehmen oder beim Einsatz von Schweizer Technologie im Ausland finanziell unterstützt werden. Entwickeln Unternehmen neue Klimaschutzlösungen, stehen diesen künftig neben der heutigen Bürgschaft für kleinere Technologie-Projekte auch weitere Unterstützungsinstrumente zur Verfügung. Dadurch können grössere Risiken abgesichert oder der schwierige Übergang vom Prototyp zur Industrialisierung gemeistert werden.
  • Neue Absatzmärkte: Nicht nur das Bauhaupt- und -nebengewerbe profitiert von neuen Aufträgen: Auch Anbieter und Produzenten klimafreundlicher Alternativen finden neue Absatzmärkte. Da erneuerbare Energien dezentral produziert werden, stärkt das CO2– Gesetz auch Betriebe in Berg- und Randregionen.
  • Treibstoffpreiserhöhung: Neu dürfen die Treibstoffimporteure bis zu 12 Rp/l auf Benzin und Diesel aufschlagen anstelle der heutigen 5 Rp/l. Diese Geldern finanzieren Klimaschutzprojekte, die wiederum der Wirtschaft und Landwirtschaft zu Gute kommen. Für die Fahrzeugnutzer*innen wiegt die Halbierung der Treibstoffkosten durch effizientere Fahrzeuge und Elektrofahrzeuge viel stärker als die geplante Treibstofferhöhung um rund 5%.
  • Rückverteilung CO2-Abgabe: Entscheidet sich eine Firma, sich nicht von der CO2-Abgabe zu befreien, so profitiert diese davon, dass ein Teil der CO2-Abgabe und Flugticketabgabe rückverteilt werden; der AHV-Beitrag der Arbeitgeber wird vergünstigt.

Im Rahmen des laufenden CO₂-Gesetzes waren wir aktiv an der Konzeption eines Klimafonds beteiligt. Dieser soll hauptsächlich aus der Teilzweckbindung der CO₂-Abgabe auf Brennstoffe sowie aus der Hälfte der Einnahmen aus der Flugticketabgabe gespiesen wird.

  • Einnahmen aus der CO₂-Abgabe auf Brennstoffe: Wie bis anhin sollen maximal 33%, resp. 450 Mio. CHF/a der CO₂-Abgabe das Gebäudesanierungsprogramm der Kantone unterstützen. Neu sollen diese Gelder auch weitere Programme vor allem im Bereich Wärmeversorgung ermöglichen, beispielsweise Risikobeiträge für Nah- und Fernwärme oder Energiecontracting-Lösungen.
  • Einnahmen aus der Flugticketabgabe: Die Hälfte der Einnahmen soll die Entwicklung und breite Anwendung neuer Ansätze und Technologien fördern. Die vom Schweizer Konsum im Ausland verursachten Treibhausgasemissionen übersteigen heute die Emissionen in der Schweiz. Dieser Teil des Klimafonds soll deshalb einen Reduktionsbeitrag in derselben Grössenordnung leisten. Selbstverständlich sollen Gelder aus der Flugticketabgabe auch dazu beitragen, den Klimaeffekt der Luftfahrt deutlich zu senken. Dies verstärkt den erwarteten Lenkungseffekt der Flugticketabgabe.
  • Anpassungsmassnahmen: Der Klimafonds soll auch Anpassungsmassnahmen finanzieren, um nicht mehr abwendbare Klimawandelfolgen zu reduzieren. Die Land- und Forstwirtschaft, das fragile Alpengebiet und zunehmend unsere Infrastrukturen sind besonders betroffen und benötigen zum Teil teure Schutzmassnahmen. Diese werden aus Auktionserträgen des Emissionshandelssystems, Ersatzleistungen der Fahrzeugimporteure und Bussen aus dem Vollzug finanziert und nicht wie heute, ausschliesslich aus allgemeinen Steuereinnahmen.

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass der Emissionshandel den Ausstoss von CO₂ kaum nachhaltig verringert, sondern primär auf einem festgelegten Niveau stabilisiert. Trotzdem macht es für uns grundsätzlich Sinn, die Emissionshandelssysteme (EHS) der Schweiz und der EU zusammenzuführen, weil dies die Liquidität erhöht und einen funktionierenden Markt überhaupt erst gewährleistet. Schweizer Unternehmen können somit vom weit grösseren EHS der EU profitieren und werden gegenüber der europäischen Konkurrenz gleich behandelt.